Dampfmaschinen [4]

[132] Dampfmaschinen . Die neuere Entwicklung der Kolbendampfmaschine vollzieht sich hauptsächlich in zwei Richtungen; einerseits wird durch zweckmäßige konstruktive Durchbildung der Einzelteile, insbesondere des Zylinders und der Steuerung, sowie durch günstigeren Zusammenbau eine bessere Ausnutzung des Dampfes in thermischer Beziehung erstrebt, anderseits sucht man den konstruktiven Aufbau aller Bewegungsmechanismen, insbesondere der Steuerungsgetriebe, so einfach wie möglich zu gestalten.

Vielfach benutzte Mittel zur besseren Dampfausnutzung sind: Möglichste Verkleinerung des schädlichen Raumes und der schädlichen Wandungen, Heizung der Deckel mit strömendem Dampf, Einbau der Einlaßventile in den Deckeln, bei Schiebersteuerungen Anwendung getrennter Ein- und Auslaßorgane und getrennter Ein- und Auslaßkanäle (Vierteilung der Steuerung), allgemeine Verwendung überhitzten und hochgespannten Dampfes, Verwendung guter Kondensatoren zur Erzeugung tiefer Luftleere.

Das Bestreben, den Getriebeaufbau zu vereinfachen, zeigt sich insbesondere bei den neueren zwangläufigen Ventilsteuerungen mit Schwingdaumen und verstellbarer Exzentrizität in Verbindung mit einem auf der Steuerwelle sitzenden Flachregler.

Als ein besonderer Erfolg sowohl in der Erzielung besserer thermischer Dampfausnutzung als auch in der Erstrebung einfachster Bauart ist die von Stumpf angegebene Bauart der Gleichstrommaschine anzusehen, die, obwohl als Einzylindermaschine ausgeführt, bei einfachster [132] Bauart doch die Dampfverbrauchszahlen bester Verbundmaschine erreicht. Näheres hierüber s. unter Gleichstromdampfmaschinen.

Für kleinere Leitungen ist auch heute noch die einfache Einzylindermaschine in Gebrauch, die aber doch bemerkenswerte Verbesserungen aufweist. Die Fig. 1 und 2 zeigen die Einzylindermaschine von Scharrer & Groß in Nürnberg. An dem kräftig ausgeführten, vollständig aufliegenden Gabelrahmen ist der Zylinder freitragend befestigt. Die Kolbenschiebersteuerung hat getrennte Kanäle für Ein- und Auslaß. Diese sind an den gegenüberliegenden Seiten angeordnet, so daß die beiden Stellen höchster und tiefster Temperatur am Zylinder weit auseinanderliegen. Der Wärmeabfluß vom Hochdruckschieberkasten zum Kondensator oder Auspuff fällt viel kleiner aus als bei den gewöhnlichen einteiligen Schiebersteuerungen, wo die beiden Räume höchster und tiefster Temperatur dicht beisammen und nur durch die Wandung des Schiebers getrennt sind. Auch ein unmittelbares Abströmen des Dampfes vom Hochdruckschieberkasten zum Kondensator durch Undichtigkeiten ist verhütet, da der Lässigkeitsdampf erst den Zylinder passieren muß, um zum Kondensator zu gelangen. Die Schieber sind dicht an den Zylinder herangelegt, um durch kurze Kanäle den schädlichen Raum und die schädlichen Flächen kleinzuhalten. Der Antrieb der Einlaßschieber erfolgt durch ein vom Flachregler verstellbares Exzenter, derjenige der Auslaßschieber durch ein festes Exzenter. Schieber- und Exzenterstange sind infolge der Verkürzung der Zylinderkanäle durch eine Schwinge miteinander verbunden. Die Lauffläche der Schieber ist sehr groß gewählt, um die durch das Gewicht erzeugte spezifische Flächenpressung und damit die Abnutzung möglichst zu beschränken. Der Einlaß hat vierfache, der Auslaß dreifache Eröffnung.

Bei der Steuerung von E. Frikart, Mühlhausen i. E., Fig. 3, ist die Vierteilung der Steuerung noch vollständiger durchgeführt, da hier auch die Ein- bezw. Auslaßschieber der beiden Kolbenseiten unabhängig voneinander sind. Die Schieber liegen rechtwinklig zur Zylinderachse, tangential zur Zylinderwand; oben die Einlaß-, unten die Auslaßschieber. Der Antrieb erfolgt von einer parallel zum Zylinder liegenden Steuerwelle, die aber nur halb so viel Umdrehungen wie die Kurbelwelle macht. Die Schieber steuern mit beiden inneren Kanten, und zwar abwechselnd bei der ersten Unidrehung der Kurbelwelle mit der linken Kante öffnend, mit der rechten Kante schließend, bei der zweiten Umdrehung mit der rechten Kante öffnend und mit der linken Kante schließend. Fig. 3 zeigt die Frikart-Steuerung für den Hochdruckzylinder einer 1000 pferdigen Tandemmaschine der Elsässischen Maschinenbau-Gesellschaft. Die Füllung wird dadurch geändert, daß die Entfernung der beiden Steuerkanten des Einlaßorganes geändert wird. Hierzu sind beide Schieberhälften durch getrennte Stangen mit der äußeren Steuerung verbunden. Die Stange der linken Schieberhälfte ist hohl und nimmt im Innern die Stange der rechten Schieberhälfte auf. Beide Schieberstangen stehen[133] durch einen Winkelhebel mit einer Schwinge in Verbindung, die ihre Bewegung von einem Zapfen am Exzenterbügel erhält. Der Drehpunkt der Schwinge sitzt am Endpunkt eines Hebels, der vom Regler höher oder tiefer gestellt wird. Da nun hierdurch der Winkelhebel zwischen beiden Schieberstangen eine Verdrehung erfährt, so wird damit die Füllung größer bezw. kleiner. Der Auslaßschieber ist einteilig und arbeitet mit festen Perioden; er gibt doppelte Eröffnung. Am Niederdruckzylinder arbeiten Einlaß- und Auslaßschieber mit festen Perioden und doppelter Eröffnung. Der Vorteil des Antriebes der Frikart-Steuerung beliebt darin, daß das Oeffnen und Schließen der Kanäle in der Mittellage der Schieber, also mit der günstigsten Geschwindigkeit erfolgt und daß die Zwangläufigkeit hohe Umlaufszahlen zuläßt, wobei die Steuerungsteile nur mit halber Umlaufszahl arbeiten. Ein- und Ausbau der Schieber sowie des Dampfkolbens können leicht bewirkt werden.

Zu den Schiebersteuerungen mit Vierteilung ist auch die Steuerung der Kerchove-Maschine zu rechnen, die wegen ihrer großen Uebereinstimmung mit den Ventilsteuerungen als Kolbenventilsteuerung bezeichnet wird. Fig. 4 zeigt das Kolbenventil in der Oeffnungslage, Fig. 5 in der Schlußtage; es ist doppelte Eröffnung vorhanden. Die Fig. 6 und 7 geben die äußere Steuerung eines Hochdruckzylinders nach der Ausführung der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz wieder. Fig. 6 läßt den Einbau der Kolbenventile in den Deckeln der Maschine erkennen. Der Antrieb erfolgt wie bei den Ventilsteuerungen durch eine parallel zum Zylinder liegende Steuerwelle. Das Einlaßorgan des Hochdruckzylinders schließt nach bewirkter Auslösung freifallend. Der Augenblick der Auslösung wird vom Regler durch Verstellung eines Winkelhebels geändert, dessen freier Arm eine Rolle trägt, die den Auslösehebel beim Abwärtsgang beiseite drängt. Die Auslaßorgane und die Einlaßorgane des Niederdruckzylinders arbeiten mit festen Perioden. Die Dichtung erfolgt durch federnde Ringe; um eine möglichst vollkommene Abdichtung bei geringstem Verschleiß zu erzielen, tritt der hochgespannte Dampf hinter die Ringe und preßt sie in der Ruhelage gegen die Wandung; bei geöffnetem Kolbenventil gleichen sich dagegen die Drücke aus, so daß bei der Bewegung die Ringe nur mit geringer Spannung an der Wandung liegen. Die Verwendung des Kolbenschiebers hat gegenüber dem Ventil den Vorteil, daß die Kanäle mit voller Geschwindigkeit geöffnet und geschlossen werden können. Der Gesamthub ist zwar um die Ueberdeckung größer als beim Ventil; doch wird gerade hierdurch ein langsames Anheben und Aufsetzen des Steuerorganes ohne Beeinträchtigung der Oeffnungs- und Abschlußgeschwindigkeiten ermöglicht. Es bleibt außerdem beim Leerlauf und bei kleiner Belastung noch eine entsprechende Hubbewegung des Steuerorganes übrig, was insbesondere bei Freifallsteuerungen sehr erwünscht ist, um die sonst bei kleinen Füllungen auftretende schnelle Abnutzung der Klinkenplättchen zu beschränken. Denselben Zweck kann man bei Ventilsteuerungen durch Hinzufügung einer Ueberdeckung (Fig. 8) erreichen. Der Einbau der Kolbenventile in die Zylinderdeckel (dreiteiliger Zylinderaufbau) ermöglicht kleine schädliche Räume bei intensiver Heizung der Deckel durch den Arbeitsdampf. Der Ausbau des Dampfkolbens erfordert das Abschieben des hinteren Zylinderkopfes.

Die allgemeine Verwendung überhitzten Dampfes im ortsfesten Betriebe hat die Dreifach-Expansionsmaschine fast vollständig zum Verschwinden gebracht. Die vorherrschende Bauart bei liegender Anordnung und Verwendung überhitzten Dampfes ist die Zweifach-Expansionsmaschine[134] mit hintereinander liegenden Zylindern, dieTandemmaschine. Die Fig. 9 und 10 geben als Beispiel hierfür eine Tandemverbundmaschine von Haniel & Lueg mit folgenden Abmessungen: Durchmesser des Hochdruckzylinders = 470 mm; Durchmesser des Niederdruckzylinders = 810 mm; Hub 850 mm; Durchmesser der Kolbenstange am Hochdruckzylinder vorn = 120 mm; hinten 80 mm; am Niederdruckzylinder vorn und hinten = 120 mm; Umlaufszahl = 125/Min. Die Normalleistung beträgt bei 11,5 kg/qcm Dampfdruck 500 PSe. Die Maschine ist am Hochdruckzylinder mit auslösender Ventilsteuerung nach Wiegleb ausgerüstet. Der Hochdruckzylinder ist mit Rücksicht auf die Verwendung des Heißdampfes als einfaches Rohr ausgeführt, um Gußspannungen infolge ungleichmäßiger Wärmedehnung nach Möglichkeit zu beschränken. Die Gehäuse für die Ventile sind angeflanscht (dreiteiliger Zylinderaufbau). Der Niederdruckzylinder ist mit einem Einsatzrohr als Lauffläche ausgeführt; Mantel und Deckel werden geheizt. Am Hochdruckzylinder ist wegen der Verwendung von Heißdampf keine Mantelheizung angewandt. Die Verbindung beider Zylinder, die Laterne, ist mit einer weiten Oeffnung versehen, um die inneren Stopfbüchsen zugänglich zu machen. Alle Stopfbüchsen haben Metallpackung. Die Kolbenstange ist dreimal geführt, am Kreuzkopf, in der Laterne und hinten. Der Hochdruckkolben hat die für Heißdampf übliche große Baulänge. Der Niederdruckkolben kann durch die Laterne ausgebaut werden. Der Abdampf wird vor dem Kondensator entölt. Das Tropföl der Triebwerkteile wird in einem dafür angeordneten Behälter gesammelt und durch eine Pumpe nach einem 4 m über Maschinenflur befindlichen Zentralschmiertopf befördert, aus dem es nach dreimaliger selbsttätiger Filtrierung den einzelnen Schmierstellen: Kurbellager, Kurbelzapfen, Kreuzkopf u.s.w. wieder zufließt. Die Oelzufuhr wird durch einstellbare Verteiler an jeder Verbrauchsstelle geregelt. Beim Stillsetzen der Maschine ist nur ein einziger Schmierhahn abzudrehen.

Für sehr große Leitungen wird die vierzylindrige Zwillings-Tandemanordnung gewählt. Die Fig. 1113 zeigen eine solche Maschine, die von der Maschinenbau A.-G. vorm. Starke & Hoffmann in Hirschberg für 1200 PS. gebaut wurde. Die Grundrißordnung geht aus Fig. 11 hervor. Die Maschine hat folgende Abmessungen: Durchmesser des Hochdruckzylinders = 510 mm; Durchmesser des Niederdruckzylinders = 800 mm; Hub = 800 mm; Durchmesser der Seilscheibe = 4000 mm; 24 Rillen für Seile von 50 mm Stärke, Die Maschine kann dauernd mit 1400 PSi oder 1300 PSe belastet werden. Hoch- und Niederdruckzylinder sind mit Deckelheizung durch strömenden Dampf versehen, um die Abkühlungsverluste zu beschränken. Die Kolben sind als Tragkolben auf dem unteren Drittel des Zylinderumfanges eingeschliffen; sie sind leicht, aber kräftig gebaut, um den Auflagerdruck möglichst zu beschränken, und mit Ansätzen versehen, um den schädlichen Raum kleinzuhalten. Der Niederdruckzylinder hat Mantelheizung durch Aufnehmerdampf. Das Kondensat aus den Mänteln und Aufnehmern wird durch eine kleine tiefliegende Pumpe den Ueberhitzern der Kesselanlage zugeführt. Der Regler liegt in einem gußeisernen Gehäuse im Fundament (Fig. 12); er wird von der Steuerwelle durch Schraubenräder angetrieben und regelt mittels ausbalancierten, vertieft gelegten Gestänges beide Zylinderseiten.

Dem Bestreben, die etwas große Baulänge der Tandemmaschine zu beschränken, verdankt die kurzbauende Tandemmaschine von Lentz, Fig. 14 und 15, ihre Entstehung. Die Laterne der gewöhnlichen Tandembauart ist hier durch den gemeinsamen Deckel zwischen Hochdruck- und Niederdruckzylinder ersetzt. Die mittlere Stopfbüchse ist allerdings der unmittelbaren Beobachtung entzogen, dafür kommt eine Stopfbüchse ganz in Wegfall. Der Zwischendeckel und der Hochdruckkolben werden durch den Niederdruckzylinder ausgebaut. Die Einlaßventile des Hochdruckzylinders sind hier, abweichend von der sonst üblichen Bauart, unten, die Auslaßventile oben angeordnet, während am Niederdruckzylinder die übliche Anordnung gewählt ist. Es ist hierdurch eine unmittelbare und kurze Verbindung der beiden Zylinder erreicht,[135] indem der Ventilkastenraum der vier oberen Ventile als Aufnehmer ausgebildet ist. Diese Ventile sind auch ohne Anwendung eines Ventilkorbes eingebaut, indem die Sitzflächen unmittelbar am Zylinderkörper angeordnet sind. Daß die Entwässerung des Hochdruckzylinders durch die oben liegenden Auslaßventile erschwert ist, kommt für die Verwendung sehr hoch überhitzten Dampfes nicht als erheblicher Nachteil in Frage, weil dafür die Niederschläge im Hochdruckzylinder sehr geringfügig sind. Zu- und Ableitung des Dampfes der Maschine liegen unten, so daß der Anschluß an die Kessel- bezw. Kondensationsleitung einfach wird. – Näheres über die Lentz-Steuerung folgt aus den Fig. 2325 unter der zugehörigen Beschreibung.

Stehende Verbundmaschinen werden mit nebeneinander liegenden Zylindern und gekröpfter Welle ausgeführt. Ventilsteuerungen sind hier wegen der bei stehenden Maschinen üblichen hohen Umlaufzahlen weniger gebräuchlich, doch sucht man[136] die Vorteile der Ventilsteuerungen auch bei stehenden Maschinen nach Möglichkeit auszunützen. Fig. 16 zeigt eine stehende Verbundmaschine mit Lentzscher Ventilsteuerung. Die beiden Ständer sind zu einem Gußstück vereinigt, dagegen sind die beiden Zylinder unabhängig voneinander aufgesetzt, so daß sich die Wärmedehnungen zwanglos ausbilden können. Ein- und Auslaßventil jeder Kolbenseite sitzen dicht am Zylinder nebeneinander in gleicher Höhe; der Zylinderkanal ist für Ein- und Auslaß gemeinsam.

Der Antrieb der Ventile erfolgt ohne Verwendung einer besonderen Steuerwelle durch Exzenter, die auf der Kurbelwelle sitzen und mit ihren langen Exzenterstangen schwingende Daumen bewegen, die mittels Rolle die Ventile öffnen. Die Exzentrizität des für die Einlaßventile des Hochdruckzylinders vorhandenen Exzenters wird durch einen Achsenregler verstellt, um die Füllung zu ändern. Die andern drei Exzenter arbeiten mit konstanter Exzentrizität.

Zu den Kraftbetrieben mit höchster Wärmeausnutzung sind auch zweckmäßig ausgebildete Lokomobilen zu rechnen. Durch den Wegfall der Wärmeausstrahlung des Kesselmauerwerkes, Verwendung von Innenfeuerung mit Innenzügen, Vermeidung, des Verlustes in der Dampfleitung, Rückgewinnung des Maschinenkondensates zur Kesselspeisung, zweckmäßige Zylinderheizung, Zwischendampfüberhitzung u.s.w. lassen sich in thermischer Hinsicht sehr günstige Verhältnisse verwirklichen; es ist daher erklärlich, daß die größten Anstrengungen gemacht werden, um die Lokomobile zur höchsten Vollkommenheit zu bringen. Von den zahlreichen Ausführungsformen der Lokomobilen sind hier nur zwei neuere charakteristische Beispiele gewählt. – Fig. 17 zeigt eine 100-PS-Tandemverbundlokomobile für Heißdampf von R. Wolf, Magdeburg-Buckau. Beide Zylinder sind in die Rauchkammer eingebaut und werden daher von den Abgasen des Kessels geheizt. Ferner arbeitet die Maschine mit[137] Zwischenüberhitzung, d.h. der vom Hochdruckzylinder abströmende Dampf wird in einen zweiten, von den Abgasen des Kessels geheizten Ueberhitzer geleitet und hierauf dem Niederdruckzylinder zugeführt. Da hiernach auch der Niederdruckzylinder mit überhitztem Dampf arbeitet und beide Zylinder den Heizgasen des Kessels ausgesetzt sind, war es für die Anordnung der beiden Zylinder nicht sehr wesentlich welcher von beiden an die Kreuzkopfführung zu liegen kam. Es ist daher, abweichend von der sonst üblichen Tandembauart, der Hochdruckzylinder an die Kreuzkopfführung gelegt worden, was den Vorteil bietet, den Hochdruckzylinderkolben durch den hinten liegenden Niederdruckzylinder ausbauen zu können. Der Hauptüberhitzer liegt unmittelbar hinter dem entsprechend gekürzten Heizrohrbündel und arbeitet mit Gegenstrom von Dampf und Heizgasen. Der Abdampf des Hochdruckzylinders strömt in den hinter dem Hauptüberhitzer liegenden Zwischenüberhitzer, der aus dünneren, aber parallel geschalteten Röhren besteht, so daß sich ein großer Gesamtquerschnitt, dadurch eine kleine Dampfgeschwindigkeit und damit ein geringer Druckverlust zwischen beiden Zylindern ergibt. Ueber den Wert der Zwischendampfüberhitzung bestehen noch geteilte Meinungen, doch wird beim Lokomobilbetrieb der Wert der Zwischenüberhitzung im allgemeinen nicht zu bestreiten sein, weil hier Ueberhitzer und Maschine dicht beisammen liegen und bei kurzen Rohrleitungen die Ueberhitzung durch weitere Ausnutzung der Kesselgase erzielt werden kann. Bei der gewöhnlichen Anordnung ortsfester Maschinen ist dagegen die Zwischenüberhitzung durch Kesselgase meistens zu umständlich und wegen der größeren Druck- und Wärmeverluste in den Zwischenteilungen unvorteilhaft. Zwischenüberhitzung durch Heizung des entsprechend ausgebildeten Aufnehmers mittels des hochüberhitzten Hochdruckdampfes hat gleichfalls keine nennenswerte Erfolge erzielen lassen.

Die Fig. 18 und 19 bringen die sowohl durch ihre Größe als auch durch ihre Bauweise bemerkenswerte 1000-PS-Verbundlokomobile mit 180° Kurbelversetzung von Heinrich Lanz in Mannheim zur Darstellung. Durchmesser des Hochdruckzylinders 560 mm; Durchmesser des Niederdruckzylinders 970 mm; Hub 550 mm; Umlaufszahl – 215/Min.; Kesselüberdruck = 10 kg/qcm; Heißdampftemperatur 380°; normale Leistung = 1110 PSi und 1000 PSe; höchste Nutzleistung dauernd = 1150 PSe; Dampfverbrauch für 1 PSe-Std. = 4,35 kg; Kohlenverbrauch (Heizwert 7500 WE.) für 1 PSe-Std. = 0,48 bis 0,5 kg; gesamte wasserberührte Kesselheizfläche = 214 qm, wovon 77,3 qm auf die beiden Wellrohrfeuerbüchsen mit dem ausziehbaren Röhrenbündel und 136,7 qm auf die rückkehrenden Heizröhren entfallen; Ueberhitzerheizfläche 73 qm; gesamte Rostfläche 3,7 qm; Manteldurchmesser des Kessels = 2834 mm; Mantellänge = 4650 mm. Die Heizgase gelangen aus den beiden Wellrohren und den beiden ausziehbaren Röhrenbündeln[138] in die hinten liegende Ueberhitzerkammer und hierauf durch die unten liegenden Heizröhren in den vorn liegenden Fuchskanal. Da die dem Ueberhitzer vorgeschaltete Heizfläche verhältnismäßig klein ist, so konnte mit einer entsprechend kleinen Ueberhitzerheizfläche ausgekommen werden. Der Ueberhitzer besteht aus senkrechten Rohrschlangen mit wagerecht liegenden Schenkeln und arbeitet mit Gegenstrom. Die beiden Zylinder sind aus einem Stück gegossen und gleitbar auf dem Kesselrücken gestützt. Der Lagersattel ist fest mit der Stützplatte am Kessel verschraubt und durch zwei kräftige Strebestangen zum Zwecke zentraler Fortleitung der Kräfte mit dem Zylinderkörper verbunden. Die sehr breit gehaltenen Hauptlager haben doppelte Kettenschmierung. Die zweimal gekröpfte Kurbelwelle trägt an dem einen Ende das Schwungrad, an dem andern Ende den Anker einer 775-KW.-Gleichstrommaschine der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft. Die Dampfzylinder haben Lentzsche Ventilsteuerung; es sind nur drei Ventilpaare vorhanden. Die Auslaßventile des Hochdruckzylinders sind zugleich die Einlaßventile des Niederdruckzylinders, so daß die Füllung des Niederdruckzylinders immer zeitlich mit dem Auslaß des Hochdruckzylinders zusammenfällt (Arbeitsweise der Wolfschen Maschine). Die Ventile sind liegend angeordnet und werden durch schwingende Daumen gesteuert. Die Regelung erfolgt durch einen Lentzschen Beharrungsflachregler mit Umlaufszahlverstellung. Der Dampf wird in einem Einspritzkondensator mit stehender zweistufiger Naßluftpumpe niedergeschlagen. Letztere wird durch einen Elektromotor angetrieben und hat drei Ventilsätze (Sang-, Kolben- und Druckventile). Ein Wechselventil gestattet den Uebergang zum Auspuffbetrieb. Der in den Abdampf eingebaute Speisewasservorwärmer besteht aus U-förmig gebogenen Röhren. Die beiden Tauchkolben der einfachwirkenden Speisepumpen sind durch ein Querstück mit dem Luftpumpenkolben verbunden.

Das Bestreben, den oft recht komplizierten Aufbau der äußeren Steuerung der älteren Ventilsteuerungen zu vereinfachen, hat zur Einführung der Ventilsteuerungen mit verstellbarer Exzentrizität geführt. Der sehr einfache Aufbau dieser Steuerungen ist folgender. Auf der Steuerwelle sitzt ein Achsenregler (Flachregler), der beim Ausschlage seiner Schwungmassen unmittelbar die Exzentrizität der Exzenter für die Einlaßventile beider Kolbenseiten verstellt. Die Exzenter wirken mit ihren Stangen unmittelbar auf einen Schwingdaumen mit Rolle, wodurch das Ventil angehoben wird. Anstelle des Schwingdaumens kann auch eine Kurvenschubstange treten.

Fig. 20 zeigt die Steuerung von Proell-Schwabe. Die Anordnung des Reglers auf der Steuerwelle ist aus Fig. 21 ersichtlich. Die Schwungmassen des Reglers R verstellen durch die beiden Rohrstücke d, welche auf exzentrischen Wellenstücken s sitzen, die beiden inneren Exzenterscheiben, die nach Fig. 20 durch die Exzenterstange eine Schwinge mit Rolle bewegen. Letztere drückt einen Hebel herunter, dessen andrer Arm das Ventil anhebt. Die mit der Rolle zusammen arbeitende Daumenfläche des Hebels ist derart geformt, daß von einer bestimmten Stelle ab, wenn der volle Hub des Ventiles erreicht ist, keine weitere Ventilerhebung erfolgt.[139] Diese Steuerung arbeitet daher, wie alle nachstehend behandelten Ventilsteuerungen mit verstellbarer Exzentrizität, bei allen Füllungen (die ganz kleinen ausgenommen) mit konstantem Ventilhub.

Fig. 22 Stellt eine neuere, aus der Proell-Schwabe-Steuerung hervorgegangene Bauart von Proell dar. Die Exzenterstange arbeitet auch hier mit Druck, ist aber mit einem Winkeldaumen k verbunden, der auf eine Rolle r wirkt, die an einem, im Gehäuse drehbar gelagerten Hebel h sitzt; h hebt das Ventil und überträgt den Seitendruck des Daumens auf das Gehäuse, so daß die Ventilstange hiervon entlastet ist.

Fig. 23 zeigt die Anordnung des Schwingdaumens nach Lentz. Die auf Zug beanspruchte Exzenterstange führt zu einem geradlinig vom Regler verstellbaren Exzenter. Die Bauart des Reglers geht aus Fig. 24 hervor. Auf der Steuerwelle ist der Arm a fest aufgekeilt; b sind die auf a befindlichen Drehpunkte der Schwungpendel c. Diese sind bei d durch eine kurze Stange dg mit der auf der Steuerwelle zentrisch drehbaren Beharrungsscheibe s verbunden. Bei h ist an s eine ringförmige Feder f befestigt, deren zweites Ende am Arme a der Steuerwelle fest angeschlossen ist. Eine Stellvorrichtung i gestattet, die Senderwirkung zur Einstellung der Umlaufszahl abzuändern. Wo die Umlaufszahl während des Ganges geändert werden soll, wird der Stift i durch eine in der hohlen Steuerwelle befindliche Stange mit Hilfe einer Keilfläche verstellt. Mit der Beharrungsscheibe s ist eine gegen die Welle drehbare und diese zentrisch umschließende Nabe fest verbunden, die einen Kurbelzapfen mit darauf befindlichem Prismenstück trägt;, letzteres gleitet in einem Schlitz der Exzenterscheibe und verstellt diese geradlinig um ein die Welle umschließendes Prismenstück. Die Beharrungsscheibe s unterstützt durch ihre Trägheit bei einem Geschwindigkeitswechsel die Fliehkraft der Schwungpendel c in ihrer Wirkung. Bemerkenswert ist noch die aus Fig. 25 ersichtliche Bauart des Lentz-Ventiles. Die obere Sitzfläche des Ventilkorbes wird mit dem Ventil zusammengegossen und dann beim Drehen abgetrennt und später mit dem Ventilkorb verschraubt. Es ist bei dieser Konstruktion möglich, die obere Sitzfläche gleich der unteren zu machen und damit das Ventil von den auf den Sitzflächen lastenden Dampfdrücken vollständig zu entlasten.

Doppeldaumen mit zwei Rollen, Fig. 26, wendet Doerfel bei seiner Steuerung an. Die rechte Rolle wird beim Oeffnen (Rechtsdrehung des Daumens) gehoben, die linke Rolle erzwingt bei der Linksdrehung des Daumens den Niedergang des Ventiles auch ohne Federspannkraft. Durch den Wegfall einer größeren Federspannkraft werden die Bolzen entlastet, ihre Abnutzung vermindert und die Empfindlichkeit der Regulierung erhöht. Das Hängenbleiben der Ventile ist zwangläufig verhindert. Zwischen Ventilstange und Ventil ist eine kleine, im Betriebe wenig deformierte Sender zur Sicherheit gegen Bruch für den Fall eingeschaltet,[140] daß ein vollständiger Schluß des Ventiles durch Fremdkörper zwischen den Sitzflächen verhindert wird.

Den Schwingdaumen in der Wirkung gleichzuachten sind Kurvenschubstangen. Fig. 27 zeigt eine Ausführung von B. Stein, bei der die vom Exzenter angetriebene Exzenterstange ein Schubkurvenstück trägt, das einerseits gegen eine im Gehäuse festgelagerte Rolle arbeitet, anderseits mit der Rückenfläche die an der Spindel gelagerte Rolle hebt. Der Seitendruck überträgt sich durch eine Platte auf eine zweite im Gehäuse gelagerte Rolle. Eine andre Ventilsteuerung mit Kurvenschubstange ist die von Stumpf bei seiner Gleichstromdampfmaschine (s. daselbst) verwendete Steuerung.

O. Herre.

Fig. 1.
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Fig. 2., Fig. 3.
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Fig. 4., Fig. 5.
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Fig. 6.
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Fig. 7.
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Fig. 8.
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Fig. 9.
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Fig. 10.
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Fig. 11.
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Fig. 12., Fig. 13.
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Fig. 14., Fig. 15.
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Fig. 16.
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Fig. 17.
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Fig. 18.
Fig. 18.
Fig. 19.
Fig. 19.
Fig. 20.
Fig. 20.
Fig. 21.
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Fig. 22.
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Fig. 23., Fig. 24., Fig. 25.
Fig. 23., Fig. 24., Fig. 25.
Fig. 26., Fig. 27.
Fig. 26., Fig. 27.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 132-141.
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